Auf einmal: Einrichtungsbezogene Impfpflicht wird infrage gestellt

Aber: Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht keinen Anlass für Änderung

Wir erinnern uns: Die allgemeine Impfplicht hatte keine politische Mehrheit gefunden. Aber die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Personal in Gesundheits- und Pflegeberufen ist bereits im Dezember 2021 im Bundestag beschlossen worden.

Die Reaktionen waren erwartbar: Während viele Menschen die Entscheidung begrüßten (z.B. vulnerable Personengruppen oder Betreiber von Krankenhäusern oder Pflegeheimen), sahen viele andere betroffene Beschäftigte in der Impfpflicht eine Einschränkung in ihr persönliches Freiheitsrecht. Und wer sich nicht impfen lassen will, musste sogar mit Kündigung rechnen.

Auf einmal wendet sich das Blatt: Jetzt, wo die Impfungen verabreicht wurden und zahlreiche Arbeitsrecht-Verfahren mit nicht-impfwilligen Beschäftigen laufen – da reift nun die Erkenntnis, dass die Impfpflicht vielleicht doch nicht so notwendig sein könnte.

 

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Eine der ersten Menschen, die dabei vorgeprescht sind, ist Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Unter anderem im WDR erklärte er (sinngemäß): Die Impfung stellt vornehmlich einen Selbstschutz dar, schützt aber nicht vor der Ansteckung – das war aber immer das Argument der Befürworter, damit z.B. Patientinnen und Patienten oder Heimbewohnerinnen oder -bewohner vor infiziertem Personal geschützt sind.

Also: Was nützt die Impfung, wenn das Virus trotzdem weiter verbreitet werden kann? So lautet nun die Gegenposition.

Außerdem: Durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht würden viele qualifizierte Fachkräfte verloren gehen, weil sie sich nicht impfen lassen.

In den Einrichtungen werden die Beschäftigten ohnehin mehrfach getestet und bei einem positiven Ergebnis eben in die Quarantäne entsendet. Dann sei auch eine Impfpflicht nicht notwendig.

 

Das haben übrigens auch die Skeptiker gesagt, als das Bundesverfassungsgericht im Mai die einrichtungsbezogene Impfpflicht als rechtmäßig einstufte. Doch damals hieß es: Geimpfte oder genesene Menschen könnten sich seltener infizieren.

Jetzt fühlen sich natürlich die Kritiker bestätigt: „Hab ich doch schon immer gesagt…“

 

„Lage hat sich geändert“

Woher kommt also nun der Sinneswandel? Im WDR-Interview begründet es der Krankenhausverbands-Chef mit der „veränderten Lage“: Im Winter dominierte noch die Delta-Variante, bei der die Impfung zusätzlich und tatsächlich vor eine Ansteckung geschützt habe. Seitdem aber hat sich die Omikron-Variante verbreitet, die viel infektiöser sei.

 

Sogar der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann – ein bekennender Impf-Befürworter – erklärte inzwischen (auch gegenüber dem WDR): „Wir wissen heute: Die Impfung schließt Ansteckungen nicht aus. Daher bin ich schon der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der jetzigen Situation nicht mehr das Nonplusultra ist.“

 

Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, ergänzte in der Tagesschau: „Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht allein ist der Schutz der älteren und vulnerablen Personen nicht zu gewährleisten, solange Angehörige und Besucher nach wie vor ungeimpft in die Einrichtungen kommen dürfen und damit das Virus immer wieder auch in die Einrichtungen tragen.“

 

Doch nicht zu vergessen: Es spricht natürlich grundsätzlich nichts gegen eine freiwillige Impfung für das Personal im Gesundheitspersonal (Ausnahme: Unverträglichkeit, bzw. medizinische Gründe). Aber eben nicht zum Schutz der Patientinnen und Patienten, sondern eher als Präventivmaßnahme vor einer schweren Erkrankung, damit nicht dauerhaft dringend benötigtes Personal fehlt.

 

Was nun?

War also die ganze Diskussion, inklusive der Proteste, damit umsonst oder unnötig?

Wie so oft in der Pandemie: Die Umstände ändern sich, es gibt immer wieder neues Wissen. Leider ist daher eine strenge Linie über einen längeren Zeitraum nicht immer möglich.

Aber die jetzige Debatte trägt natürlich nicht gerade zur Vertrauensbildung bei.

 

Außerdem: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält weiterhin an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht fest – trotz der neuen Beurteilungen der Lage. „Die Impfung schütze alte und geschwächte Menschen“, heißt es laut WDR aus dem Ministerium.

Da würden Kritiker wieder sagen: Lauterbach wolle doch Politik nach wissenschaftlichen Erkenntnissen machen. Das passt jetzt nicht zusammen

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: DoroT Schenk/Pixabay

 


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